Pia Müller

LUCKY YOU!?
Performance und Installation
 
 
Pia Müller sucht das Glück

Einführungsrede von Alexandra Orth M.A. zur Eröffnung am 16. August 2013
 
LUCKY YOU!?, Performance von Pia Müller, 16. August 2013. Galerie Junge Kunst
LUCKY YOU!?, Performance von Pia Müller, 16. August 2013. Galerie Junge Kunst

 

Glück ist überall.
Der Psychologe Paul Ekman machte sich in den 1960er Jahren auf die Suche nach dem Glück. Er bereiste die ganze Welt, um die Gefühlsausdrücke verschiedenster Kulturen zu untersuchen. Dabei stellte er fest, dass alle Menschen, im entlegensten Dschungeldorf und in der rastlosesten Großstadt, das gleiche Gefühl von Glück empfinden. Denn Glück ist dem Menschen angeboren. Es ist eine Reaktion des Körpers, die - wie alle Emotionen - auf einem diffizilen biochemischen Prozess beruht. So komplex, dass die Wissenschaft seine Funktionsmechanismen auch heute noch nicht vollständig entschlüsseln kann.
Das Glück sitzt in der unteren Mitte des Kopfs. Aufgrund eines Reizes setzt das Gehirn dort bestimmte Botenstoffe frei, zum Beispiel Endorphine oder Serotonin. Diese Neurotransmitter bewirken eine Erregung, die im Limbischen System, dem Hirnareal der Emotionen, als angenehm empfunden wird.
Dieser aufwendige Prozess hat seinen biologischen Sinn. Das behagliche Glücksgefühl ist ein ausgeklügelter Trick der Evolution. Es ist eine Art Belohnung für die Erfüllung von Grundbedürfnissen, die für die Erhaltung der Art von Bedeutung sind. Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, soziale Kontakte, Bewegung, kognitive Leistungen - das alles macht Spaß und wird mit einem Glücksgefühl belohnt.
Der essentielle Wunsch, sich wohl zu fühlen, ist in den Happy-Genen verankert. Er sichert das Überleben und zaubert auch der nächsten Generation ein Lächeln ins Gesicht.

Solange unsere Grundbedürfnisse erfüllt sind, müssten wir also glücklich sein.
Sind wir aber nicht, wie uns die Glücksstudien und Glücksatlanten bestätigen, die von Meinungsforschungsinstituten regelmäßig veröffentlicht werden. Noch vor wenigen Monaten machte uns eine Studie der UNICEF mit deprimierenden Zahlen über die Unglücklichkeit deutscher Kinder und Jugendlicher traurig. Trotz relativen Wohlstands, Gesundheit, Sicherheit und Bildung fanden sich die Befragten im europäischen Vergleich nur auf den letzten Plätzen wieder. Warum sind wir so unglücklich?
In den vergangenen Jahren ist eine regelrechte Glücksindustrie entstanden, die dieser Frage nachgeht. Ratgeber, Glücksseminare, Glücksbringer, Nahrungsergänzungsmittel und Drogen versprechen einen schnellen Weg zu mehr Zufriedenheit.
Auch Pia Müller ist dem Glück auf der Spur. Für ihre Ausstellung "Lucky You!?" konzipierte sie drei Arbeiten, die seinem Geheimnis nachgehen:

Mit Glückssymbolen und verschnörkelten Lettern hat sie den Titel ihrer Ausstellung auf das Polster eines Betstuhls gestickt. "Lucky You!?" richtet sowohl eine Frage als auch eine Aufforderung an den Besucher. Der Betstuhl, als Symbol einer inneren Suche, lässt ihn in sich kehren und seine eigene Haltung zum Glück reflektieren.
Begibt man sich in Betposition, kann man den schemenhaften Film auf dem anmontierten Bildschirm betrachten. Filmsequenzen blitzen dort auf: ein Kind, ein Pool, Sommer. Man kann die sorgenfreien Szenen, die sich dort abspielen, nur erahnen, doch trotzdem scheinen sie einem bekannt. Glück ist ein flüchtiges Gefühl, in dem Glaube, Hoffnung, aber auch Zweifel und Verlust in gleicher Weise mitschwingen.

Für die zweite Arbeit sammelte Pia Müller Glücksmomente. Schwarzweißfotografien mit Augenblicken, die auch noch nach Jahren jenes diffuse, angenehme Gefühl im Limbischen System hervorrufen. Freunde, Bekannte aber auch Fremde überließen ihr 250 private Aufnahmen mit Motiven, die glücklich machen. Das Auswählen der Bilder, das Blättern in vergilbten Alben, wurde dabei ganz nebenbei selbst zum Glücksmoment. Längst verflogene Gefühle wurden durch das Foto, das Medium der Erinnerung, wieder wachgerufen.
Alle diese Aufnahmen komponierte Pia Müller zu einer raumfüllenden Collage. Glück all over, in all seinen Facetten. Das Glück hat so viele Farben, dass ein Einzelner es niemals fassen kann. Diese tauchte die Künstlerin in eine Regenbogenprojektion. Der Spot wandert über die Bilder und erfüllt sie mit Licht, wie einen kurz aufschimmernden Gedanken an einen schönen Moment.

Den dritten Teil des Werkkomplex' bildet eine Performance. Dazu überlegte Pia Müller im Vorfeld, was sie persönlich am meisten mit Glück erfüllt und setzte dies physisch um.
Das Zusammensein mit Freunden und Familie symbolisiert sie durch einen Becher Wasser, den sie trinkt.
Bewegung, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, die in ihren Werken allgegenwärtig ist, setzt sie anthropometrisch um. In blauer Farbe zieht sie mit ihren Haaren den Umriss ihres Körpers an der Wand nach.
Ihr drittes Glückselement, die Fähigkeit zum Fühlen, bringt sie mit Tränen zum Ausdruck. Sie weint in eine Schale.
Die Überreste ihrer Performance inszeniert sie wie Reliquien, als Andenken an eine Kunstform so immateriell wie das Glück.

"Lucky You!?" will keine Abhandlung über das Glück sein, geschweige denn alle seine Aspekte beleuchten. Dieser Versuch würde nur unglücklich machen.
Was Pia Müller mit ihrer Ausstellung vielmehr gelingt, ist, Glück zu teilen. Sie schafft Raum für einen vertrauensvollen Gefühlsaustausch zwischen der Künstlerin, den Mitwirkenden und dem Besucher. Und das ist Psychologen zufolge der beste Weg zur eigenen Glücksseligkeit.




Pia Müller (* 1978, Wittlich) ist ein ziemlich glücklicher Mensch.
2006 absolvierte sie ihr Studium im Bereich "Inter Media" an der HBKSaar in Saarbrücken und war Meisterschülerin bei Professor Daniel Hausig. Die Auszeichnung mit dem Kunstpreis Robert Schuman im Jahr 2007, die Nominierung für den Ramboux-Preis der Stadt Trier 2010 oder die Teilnahme an der SaarART 2013, der Landeskunstausstellung des Saarlandes, sind nur einige freudige Stationen im bewegten Leben der in Trier wohnenden Performance-Künstlerin.

 
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Letzte Aktualisierung: 17.08.2013 11:05:57 © 2015 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.